Sonntag, 2. Februar 2020

CHF 150 | 110 | 50 | 30.-

Johannes Brahms (1833-1897)
Sonate pour violoncelle et piano n° 2 en fa majeur op. 99
Allegro vivace | Adagio affetuoso | Allegro appassionato | Allegro

Robert Schumann (1810-1856)
3 Fantasiestücke pour violoncelle et piano op. 73 (orig. pour clarinette)
Zart und mit Ausdruck | Lebhaft, leicht | Rasch und mit Feuer

Dmitri Chostakovitch (1906-1975)
Sonate pour violoncelle et piano en ré mineur op. 40
Allegro non troppo | Allegro | Largo | Allegro

Präsentation des Konzerts

Brahms: Sonate für Cello und Klavier Nr. 2 in F-Dur
Manche sehen in Brahms den Nachfolger von Beethoven. Diese Sicht ist vereinfachend, doch tatsächlich verbindet die beiden Genies eine Gemeinsamkeit: die ständige Mischung von Traditionalismus und Innovation; eine rigorose kompositorische Wissenschaft, gepaart mit einer überwältigenden Freiheit. 1886 am Thunersee geschrieben, ist diese Sonate das Werk eines dreiundfünfzigjährigen Mannes, der das reife Alter erreicht hat, ohne seine Jugend zu verlieren. Das Allegro, in Sonatenform, beginnt voller Ungestüm – ganz in der Art eines Beethoven. Die Zeiten der Unentschlossenheit sind vorbei, die Bravour hat über die jugendlichen Ängste gesiegt. Jeder der beiden Solisten scheint das Seil seines Partners zu halten, wenn sich dieser über den Abgrund vorwagt, während er die Grenzen seines eigenen Lyrismus auslotet. Auf halbem Weg treffen sie ein Refugium an, das ihnen (noch) erlaubt, eine schöne Zukunft zu betrachten. Das Adagio beginnt mit Pizzicati, wie der sehnsuchtsvolle Anklang an einen Bach’schen Kontrapunkt, den Brahms so gut kannte – oder an die Cellosuiten nach dem gleichen Muster. Die Instrumente hören einander zu, vertieft in eine bald abstrakte, bald ergreifende Metaphysik. Im dritten Satz weicht ihr Gesang dem Spiel von pulsierenden Rhythmen und Sprüngen und macht dem wilden Sprudeln eines Bachs im Sommer Platz. Geschmeidige Lachse schwimmen stromaufwärts, angetrieben von ihrer Bestimmung. Bei einem sehr Haydn’schen Finale langt man im Dorf an. Schäferinnen in geblümten Kleidern kreisen um ein Feuer. Im zweiten Teil kommen erneut Ambivalenz und Komplexität ins Spiel: Die Musse ist nicht von Dauer. Die Sonate wird noch im Jahr ihrer Komposition in Wien aufgeführt, mit Brahms am Klavier.

Schumann: 3 Fantasiestücke für Violoncello und Klavier (orig. für Klarinette)
Ist es der verminderte Erfolg seiner Frau Clara, die das Alter der Frühreife hinter sich hat und deren Konzerte keine Massen mehr anziehen? Der Tod seines Freundes Mendelssohn? Oder der mässige Erfolg seiner einzigen Oper, Genoveva? Eines ist sicher: Als Schuhmann 1849 diese Fantasiestücke in Angriff nimmt, verspürt er das dringende Bedürfnis, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen, ohne jeden Zwang. Daraus entstehen drei Stücke im Zeichen der absoluten Romantik, die aus einem Gemälde von Friedrich zu stammen scheinen. Sie waren ursprünglich für Klavier und Klarinette bestimmt, doch der Komponist persönlich schlug vor, das Holzblasinstrument durch ein Cello zu ersetzen. Beide Instrumente besitzen die Fähigkeit, ein Klagelied zu verkörpern und die Seelenqualen auszumalen … Der Spaziergang beginnt ganz gemächlich (Zart), wobei ein Kind in den Schlaf gewiegt wird, weitab von den Sorgen der Erwachsenen. Doch für wie lang? Wenn das Licht gelöscht wird, tauchen unvorhersehbare Träume auf … Die Solisten verkörpern zwei unruhige Beine (Lebhaft), die in entgegengesetzte Richtungen streben, bis das Gleichgewicht verloren wird; am Schluss stehen sie wieder nebeneinander auf beiden Füssen. Die letzte Reise, mit der Vortragsbezeichnung Rasch und mit Feuer versehen, ist erzählender. Von Alice im Wunderland bis hin zu den Chimären eines verirrten Zirkus, lässt man sich von einem Strudel mitreissen, der «immer schneller» wird. Die kristallklare Demut der kompositorischen Sprache rivalisiert mit einem Gefühl unbegrenzter Macht. Eine beeindruckende Meisterleistung, umso mehr, als man weiss, dass Schumann die dreifache Partitur in nur zwei Tagen fertigstellte!

Schostakowitsch: Sonate für Violoncello und Klavier in d-Moll
Die Cellosonate schrieb der Komponist 1934, mit achtundzwanzig Jahren, und zwar unter besonderen Umständen, in zweifacher Hinsicht. Einerseits hat sich Schostakowitsch eben von seiner Frau Nina scheiden lassen, nachdem er sich in eine junge Übersetzerin verliebt hat: Es heisst, er habe das Werk im Laufe von zwei schlaflosen Nächten bei seinem Freund Victor Kubatzki geschrieben, Cellist am Bolschoi Theater (und künftiger Widmungsträger des Stücks). Andererseits war die Spannung zwischen der Sowjetmacht und den Künstlern noch nie so gross. Bald wird man dem Künstler «kleinbürgerlichen Formalismus» vorwerfen, er wird als «Volksfeind» abgestempelt und endet beinahe im Gulag. Aus persönlichen wie politischen Gründen beschliesst Schostakowitsch daher, seine privaten Probleme mit Kammermusik auszudrücken, deren Register diskreter ist und die besser geeignet ist, einen Sturm unter einem Schädel – dem seinen – auszumalen. Dazu wählt er das Cello, ein Instrument, das ihm besonders lieb ist. Das einleitende Allegro gleicht dem Alltag eines im Stil des Kubismus gemalten Paars, wie Picasso es in seinen Unstimmigkeiten, aber auch in seinen zärtlichen Momenten darstellt. Die beiden Solisten beleidigen einander und rechtfertigen sich der Reihe nach, bevor sie sich umarmen. Der folgende Satz erzählt von einem Streit voller Missverständnisse, Sarkasmus und Böswilligkeit. Macht man sich über Stalin oder über Cupido lustig? Ein Largo versetzt uns in die rauen Steppen der Bitterkeit. Es ist die Verzweiflung, die auf die Entscheidung folgt. Das abschliessende Allegro bricht mit der Bequemlichkeit der Trauer und setzt erneut den Lebens-Schwung durch, mit den damit verbundenen Niedrigkeiten: In die Posse mischt sich ein Hauch antiker Tragödie. Ein Jahr später heiratet Schostakowitsch Nina ein zweites Mal, und diese schenkt ihm seine erste Tochter.

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